Mit der Notiz Nr. 964 vom 4. Juni 2025 veröffentlichte die INL wichtige operationelle Leitlinien zur Anwendung von Sanktionen nach Artikel 27, Absatz 11, des Gesetzesdekrets 81/2008, in Fällen, in denen eine Inspektion ergibt, dass eine formal als selbstständig eingestufte Arbeitsbeziehung tatsächlich ein Arbeitsverhältnis ist.
Das Problem: Falsche Selbstständigkeit und Baustellen ohne Punkteführerschein
Die betreffende Regelung betrifft Baustellen und legt fest, dass Unternehmen und Selbstständige einen Punkteführerschein besitzen müssen, der technische Kompetenz und die Einhaltung der Vorschriften zum Arbeits- und Gesundheitsschutz bescheinigt. Insbesondere führt das Fehlen des Punkteführerscheins oder das Vorhandensein eines Punkteführerscheins mit weniger als 15 Punkten zu:
- Eine Verwaltungsstrafe in Höhe von 10 % des Auftragswertes, jedoch mindestens 6.000 €;
- Ausschluss von der Teilnahme an öffentlichen Arbeiten für sechs Monate.
Die Notiz konzentriert sich auf Fälle, in denen bei Inspektionen festgestellt wird, dass eine formal als selbstständig eingestufte Person tatsächlich als Arbeitnehmer unter der Kontrolle des Auftraggebers arbeitet.
Interpretation der INL: Die Verantwortung liegt beim Auftraggeber
Die INL stellt klar, dass die sogenannte „Pseudo-Selbstständige“ nach Bestätigung der fehlenden Selbstständigkeit als Arbeitnehmer des Auftraggebers zu behandeln ist. Infolgedessen:
- Die Sanktion im Zusammenhang mit dem Fehlen des Punkteführerscheins gilt nicht für die Einzelperson, da die Anforderung nur echte Selbstständige betrifft;
- Alle Sanktionen liegen beim Auftraggeber, einschließlich solcher, die mit der Umklassifizierung der Arbeitsbeziehung zusammenhängen, sowie solcher, die Verstöße gegen Arbeits- und Gesundheitsschutzvorschriften betreffen, wie fehlende Schulungen oder medizinische Überwachung;
- Sanktionen nach Art. 27 Abs. 11 des Gesetzesdekrets 81/2008 wegen fehlendem Punkteführerschein gelten nur für das Auftragnehmerunternehmen;
Es ist daher auch nicht möglich, das Auftragnehmerunternehmen für die Nichtüberprüfung des Punkteführerscheins des Arbeitnehmers zu sanktionieren, da dieser nach der Umklassifizierung zum Arbeitnehmer nicht mehr dieser Pflicht unterliegt.
Kohärenz der Sanktionen und rechtlicher Schutz
Ein zentraler Punkt der Notiz ist die Notwendigkeit der Kohärenz der Sanktionen. Eine gleichzeitige Bestrafung sowohl des Fehlens des Punkteführerscheins (als ob der Arbeitnehmer selbstständig wäre) als auch des Vorliegens eines Arbeitsverhältnisses wäre widersprüchlich. Dies würde die rechtliche Gültigkeit der Inspektionsergebnisse, insbesondere vor Gericht, untergraben.
Fazit
Die Notiz Nr. 964/2025 schafft Klarheit über das System des Punkteführerscheins auf Baustellen und die Bekämpfung falscher Selbstständigkeit, die beide eng mit Arbeitssicherheit und dem Schutz der Rechte der Arbeitnehmer verbunden sind. Die Leitlinien der INL zielen darauf ab, Unternehmen zur Verantwortung zu ziehen und den Missbrauch von Vertragsgestaltungen zur Umgehung von Arbeitsschutzpflichten zu verhindern.